Matterhorn-erfolgreiche Besteigung

Matterhorn Teil 2, aber diesmal erfolgreich!

Nach dem Norbert schon in diesem Frühjahr einen Versuch zur Besteigung des Matterhorns unter dramatsichen Bedingungen abbrechen musste, war er diesmal erfolgreich! Was er erlebt hat, hat er in diesem Bericht mit tollen Bildern versehen:

“Hallo liebe Freunde,

Wie vielleicht einige schon mitbekommen haben, ist die Matterhorn Nordwand am letzten Donnerstag endlich gelungen! Wieder haben uns viele unterstützt und haben zuhause mitgefiebert, deshalb gebe ich hier auch wieder einen kleinen Bericht. Es ist dann insgesamt doch noch etwas abenteuerlicher geworden, als ursprünglich geplant und erwartet worden war… Das Spiel der großen Nordwände eben!

Aufschwung zum oberen Matterhorngletscher
Aufschwung zum oberen Matterhorngletscher

Die zeitlichen Möglichkeiten bei meinem bisherigen Seilpartner Tommi ergaben sich jedenfalls so, dass wir ein neues Matterhorn Team zusammen stellen mussten. Es stellte sich heraus, dass Malte Heine aus Dortmund und Charly Langbein aus Bonn ernsthaftes Interesse zeigten, bei diesem Projekt mitzuwirken. Malte ist ein überragender Felskletterer, der aber auch schon wilde Eisklettereien wie zum Beispiel den mächtigen Hydnefossen in Norwegen bezwungen hatte. Und Charly hatte zuletzt innerhalb kürzester Zeit einige der ganz großen alpinen Touren abgeräumt, unter anderem im letzten März die Eigernordwand, im Sommer den Peuterey Integral am Mont Blanc, aber auch im Jahr davor die Grandes Jorasses N-Wand über die Polenroute bezwungen. Damit hatte er wie ich bereits zwei der „drei großen Nordwände der Alpen“ eingeheimst. Obwohl mich mit beiden eine Freundschaft verband waren wir aber noch nie im alpinen ernsthaft unterwegs gewesen. Das sollte aber wie sich später herausstellte überhaupt kein Problem sein. Im Gegenteil: Wir harmonierten wie ein Team, dass seit vielen Jahren zusammen klettert. Wir stiegen also am Mittwoch zur Hörnlihütte auf, um dort Quartier im Winterraum zu beziehen. Als wir aufstiegen bemerkten wir einen Air Zermatt Helikopter, der offenbar jemanden an der Long Line zur noch über uns liegenden Hütte brachte, um ihn dann kurze Zeit später im Heli nach Zermatt zu bringen. Wie wir später erfuhren war das schon eine Rettung aus der Nordwand, was wir aber zu diesem Zeitpunkt besser noch nicht wissen sollten…
Um 1:30 am Donnerstag brachen wir von der Hütte auf um dann 1,5h später am zweiten Bergschrund endlich in die Wand einzusteigen. Zunächst wieder seilfrei kletterten wir über die ersten Eisfelder leicht linkshaltend aufwärts. Wir kamen gut voran mit prima festem Trittschnee und irgendwann sagte ich zu Charly und Malte: „Okay, höher war ich noch nie!“. Die Kletterei war noch leicht, aber strengte uns schon einigermaßen an. Wir erreichten bald darauf die ersten Haken und Schlingenbündel die wir zum Anlass nahmen die Seile auszupacken.

Charly an der Stelle wo wir die Seile auspackten
Charly an der Stelle wo wir die Seile auspackten

Wir kletterten nun Simusoloing, das heisst am laufenden Seil mit Sicherungen dazwischen die eine Rücklaufsperre hatten (Triblocs). Dann überquerten wir rechtshaltend die erste Felsrippe in den dahinterliegenden Firnkessel. Diese Länge war dann schon im Bereich M4 sodass wir begannen richtig zu sichern. Nach dem Firnkessel kamen wir zum richtigen Beginn des Schrägcouloirs oder der Rampe oder Naht wie dieser Bereich auch genannt wird. Noch im Dunkeln führte Charly bravourös die angebliche M4+ Länge, aber vermutlich waren wir die Stelle ob der Dunkelheit vielleicht 2-3 Meter neben der günstigsten Stelle angegangen und so wurde es dann locker mal M5-6. Trotzdem kamen wir gut voran und mittlerweile wurde es hell.

Die angebliche M4+ Stelle als Eingang zur Naht
Die angebliche M4+ Stelle als Eingang zur Naht
Blick aus der Wand zu Alphubel und Strahlhorn
Blick aus der Wand zu Alphubel und Strahlhorn
Charly am Stand nach dem Eingang in die Naht
Charly am Stand nach dem Eingang in die Naht
Malte vor dem Hintergrund von Zermatt unter dem Wolkenmeer
Malte vor dem Hintergrund von Zermatt unter dem Wolkenmeer
Die letzten Meter der ersten Crux Seillänge
Die letzten Meter der ersten Crux Seillänge
Im Schrägcouloir
Im Schrägcouloir
Der relativ leichte M5 Kamin
Der relativ leichte M5 Kamin

In der Naht gingen wir bis zu deren Ende wieder Simusoloing und so waren wir vor 10 Uhr bereits am ehemaligen Biwakplatz der Schmid Brüder. Nun war ich wieder an der Reihe mit der 60m plattigen Rechtstraverse. Meine Hoffnung dass da genügend Firn auf den Felsplatten pappen würde zerstörte sich schnell. Es lag nur dünner lockerer Schnee auf dem Fels und so wurde die Sache mit nur einem Keil gesichert schon „windig“. Den im Topo markierten „Eisfall“ den ich ansteuern musste konnte ich zunächst gar nicht erkennen. Es war kaum Eis da… Zum Glück übernahm danach Charly nochmal und er fand einige Haken rechts des Eisfalls und konnte sogar eine 10cm Eisschraube eindrehen. Darüber noch ein kleiner Verhauer, aber dann fanden wir auch die anschließende Querung rechts ums Eck.

Die 60m Querung mit ziemlich wenig Sicherung
Die 60m Querung mit ziemlich wenig Sicherung
Der etwas ausgedünnte Eisfall
Der etwas ausgedünnte Eisfall

Nichtsdestotrotz hatten uns die letzten 3 Seillängen unverhältnismäßig viel Zeit gekostet. Dann noch eine Querung und laut der Routenbeschreibung sollte hier das Ende der Schwierigkeiten liegen. Verdammte Axt: Es wurde zwar flacher, aber der Zustand mit losem Schnee auf plattigem Fels veränderte sich überhaupt nicht. Sicherungen waren hier auch nur noch spärlich und mittlerweile verstärkte sich der mit nur 16km/h angekündigte Wind aber locker in ein Vielfaches. Viel zu langsam kamen wir vorwärts und wir überlegten schon die Seile ganz einzupacken um schneller zu sein und einen Absturz nicht gleich in einen Seilschaftssturz münden zu lassen. Ein paar halbwegs solide Camalots konnte Charly dann immer noch finden und so blieben wir doch bei der herkömmlichen Stand Sicherung. Mittlerweile plagte uns die Angst den Gipfel nicht mehr bei Tageslicht zu erreichen. Damit wurde dieses Abenteuer plötzlich zu einem Überlebenskampf. Wir erreichten dann noch den Zmuttgrat und sahen die Sonne, aber über dem Matterhorn drehte sich eine Wolke durch mittlerweile auf 87km/h angeschwollene Windgeschwindigkeiten um sich selbst und ballerte uns die aufgewirbelten Schneekristalle direkt ins Gesicht. Ich übernahm nochmals die Führung und ging den Gratturm auf der linken Seite an und nach weiteren zwei Seillängen sah ich auf einem Schneehang stapfend das Italienische Kreuz in der letzten Sonne des Tages magisch leuchten. Am Kreuz angekommen war die Sonne bereits am Horizont verschwunden, es war nun 18:15. Die anderen beiden wurden fix am Kreuz nachgesichert und dann fanden wir nicht mal Zeit für ein gemeinsames Gipfelfoto. Wir präparierten uns aufs „kurze Seil“ und balancierten dann über die schmale Gipfelschneide rüber zum Schweizer Gipfel von wo aus der Hörnligrat runter zur Solvay Schutzhütte auf 4003m führt.

Querung ums Eck nach dem Eisfall
Querung ums Eck nach dem Eisfall

Bei dieser erheblichen Windverfrachtung war leider von den Spuren unterhalb des Schweizergipfels nichts mehr zu erkennen. Irgendwann mussten hier doch die ersten Abseilstelllen mitsamt der Fixseile kommen die den steilen Part des Hörnligrats absichern. Wir fanden nichts. Gingen Kreuz und quer, wieder rauf zur St.Bernard Gipfelstatue auf dem Schweizergipfel und versuchten es erneut. Wir hatten keine Option, biwakieren hier hätte niemand überlebt. Nach schier endloser Sucherrei fanden wir dann doch die Stangen und seilten ab. Problem: Der Wind war so stark dass man die Seile gar nicht runterwerfen konnte. Also musste einer abgelassen werden und die anderen folgten dann abseilend.

Kurz vor Ende der Schwierigkeiten
Kurz vor Ende der Schwierigkeiten

Da der Wind so laut war wurde auch die Verständigung erschwert. Daher kam die Anweisung das Seil nach dem Ablassen vom oberen auf den unteren Schweineschwanz haken an dieser Kante umzuhängen, wohl nicht an und infolgedessen blieb das Seil als wir 40m weiter unten waren mal eben stecken. Wir tauschten die Lampen, denn meine wurde langsam flau und ich schwang mich mit Tribloc gesichert an den Tauen hoch um die Seile zu befreien. Und auf einmal, als ich gerade die Hälfte zurückgelegt hatte – zack, die Lampe aus. Ich fummelte mit Handschuhen an dem Ding rum aber nix ging. Einzige Chance: Wieder runter um abermals die Lampe zu tauschen. Dann wieder hoch, woher die Kraft kam obwohl ich kurz vor dem Zmuttgrat noch völlig platt war…. Keine Ahnung! Jedenfalls gelang es und wir seilten weiter runter auf die so genannte Schulter ab. Dort fanden wir auch eine Stange die wir laut Topo schräg links zur Kante abseilen sollten. Wir aber kamen wohl zu weit rechts an, aber vom nächsten Absatz sahen wir eine vermeintliche Spur weiter unten. Dahin abgeseilt und es stellte sich heraus dass die Spur nur ein Windkolk war. Es konnte aber immer noch sein, dass es eine alte Spur war die nur vom Wind überweht wurde. Wir stiegen in Richtung der „Spur“ in ein Couloir ab und kämpften nochmal mit einem Seilklemmer der sich aber dann doch abrupt löste. Es konnte aber nicht richtig sein, wir waren offensichtlich zu weit in der Ostwand! Na super! Wir entschieden uns dann für eine Linksquerung in Richtung Hörnligrat aber nach 100m stoppte uns ein steiler Eisabbruch. Einzige Chance wäre 100m wieder hoch zu steigen und den Ansatz des Hörnligrats wieder weiter oben zu suchen. Es war bereits gegen 3:00 und wir merkten dass wir nun zu viele Fehler machten weswegen sich nun eine Mehrheit für ein Biwak fand. Direkt an Ort und Stelle war ein kleiner Überhang unter dem sich ein kleiner 30cm breiter Eisbalkon bildete. Malte hatte zum Glück eine Isomatte und wir konnten uns angeseilt nebeneinander in Schlafsäcken auf dieses Band setzen. Nach endlosem Gefummel – Schuhe samt Steigeisen ausziehen und angeseilt in die Schlafsäcke, aber an sowas wie Schlaf war angesichts des Sturms, der Kälte und der unbequemen Lage überhaupt nicht zu denken. Ich verlor bei den Manövern zudem meinen Biwaksack, meine Trinkflasche und die Reserve Kontaktlinsen die allesamt nacheinander ungewollt ihren Weg in die Tiefe nahmen.

Malte vor dem Tiefblick aus dem oberen Wandteil
Malte vor dem Tiefblick aus dem oberen Wandteil
Malte und Charly am Zmuttgrat
Malte und Charly am Zmuttgrat
Der Rest des Zmuttgrats zum Gipfel
Der Rest des Zmuttgrats zum Gipfel
Tiefblick auf den oberen Zmuttgrat
Tiefblick auf den oberen Zmuttgrat
Ankunft am italienischen Gipfel 4476m
Ankunft am italienischen Gipfel 4476m

Der ersehnte nächste morgen erwartete uns in der Ostwand aber mit Windstille und Sonnenschein, weswegen wir auch etwas langsam in die Gänge kamen. Niemand hatte offensichtlich Erfrierungen aber alle waren voll dehydriert. Schnee schmelzen in der Sonne mit einem grandiosen Panorama war nun das Programm. Anschließend machten wir uns wieder auf den Weg, stiegen die 100m auf, querten rüber zum Hörnligrat und siehe da es kamen richtige Spuren zum Vorschein und bereits eine Seilschaft die von unten hochkam. Kurze Zeit trafen wir noch eine, wobei sich später rausstellte, dass das Bekannte von Charly waren.

Charly und Malte kommen am Gipfel an
Charly und Malte kommen am Gipfel an
Das Gipfelfoto... bei Schneesturm
Das Gipfelfoto… bei Schneesturm
Ausblick vom Biwakplatz am nächsten Morgen
Ausblick vom Biwakplatz am nächsten Morgen
In der Solvayhütte
In der Solvayhütte
Malte gleicht den Schlafmangel von fast 36h Dauereinsatz aus...
Malte gleicht den Schlafmangel von fast 36h Dauereinsatz aus…

Dann fanden wir uns nach zig Abseilmanövern auf der die letzte Nacht anvisierten Solvayhütte ein, die bekanntermaßen mit ein paar Schlafplätzen und einem Klo nur eine Notbiwakschachtel ist. Nochmal Schnee schmelzen und etwas ausruhen und dann gings weiter Richtung Hörnlihütte wo wir abends um 18:00 ziemlich erschöpft ankamen. Zwei französisch sprechende Schweizer erwarteten uns da schon denn sie erhofften sich von uns Informationen zu den Wandverhältnissen, da sie Samstags vorhatten die Tour anzugehen.

Rückblick auf den Hörnligrat
Rückblick auf den Hörnligrat

Kurze Zeit ausruhen, trinken und was Essen und weiter gings um 20:00 runter nach Zermatt. Charly hatte ja noch einen Termin, denn er sollte einen Vortrag über den Rheinischen Alpinismus und die drei Nordwände halten auf dem Samstags stattfindenden Kölner Alpintag. Mich schickte der weitere 1600Hm Abstieg nun beinahe vollständig auf die Bretter, ich taumelte nur noch wie ein besoffener hinter den beiden her und obwohl sie mir alles an schwerer Hardware aus meinem Rucksack abnahmen fiel ich oft nur aus reiner Entkräftung einfach um. Schließlich kommen wir um kurz vor zwei in Zermatt an und kriegen ein Taxi Richtung Täsch und landen dann endlich wieder im Camping Bus.

Nach nur wenigen Stunden Schlaf fahren wir direkt los um Charlys Vortrags Termin doch noch zu halten. Er hatte sein Notebook mit und so konnte er noch die Matterhornbilder direkt einbauen und wir erreichten dann Köln gerade noch rechtzeitig, sodass die verdutzten Kölner Alpenvereinsmittglieder die taufrische Nordwand Trilogie von einem Local präsentiert bekommen konnten.

Alles in Allem: Ein großer Traum ging in Erfüllung! Auch wenn die Dosierung des Abenteuers auch hätte etwas kleiner ausfallen können. Einen Riesen Dank an ein wunderbares Team, das sich unermüdlich immer wieder gegenseitig eingesetzt und ergänzt hat. Ebenso Dank an alle Seilpartner die mit mir die Wand in der Vergangenheit erfolglos probiert hatten, von diesem Wissen konnten wir jetzt auch profitieren. Und besonderer Dank an meine Frau Anja, die ich mit meiner „Matterhorn Besessenheit“ die letzten Jahre sicher ziemlich zur Verzweiflung gebracht habe….”